Das Bundesverwaltungsgericht soll in dem Verfahren 1 C 10.23 darüber entscheiden, ob es in Italien als subsidiär schutzberechtigt anerkannten Ausländern, die nach Deutschland weitergereist sind, zuzumuten ist, nach Italien zurückzukehren. Dazu muss das Gericht erstmals auf der Grundlage des am 1. Januar 2023 in Kraft getretenen § 78 Abs. 8 AsylG als Tatsacheninstanz eigene Feststellungen zur Lage in Italien treffen, um eine einheitliche Rechtsprechung der Obergerichte zu gewährleisten.
Das OVG Münster hatte in einem Urteil vom 20.07.2021 (Az. 11 A 1674/20.A) entschieden, dass ein Ausländer mit somalischer Staatsangehörigkeit, dem bereits in Italien internationaler Schutz gewährt worden war, nicht nach dort rücküberstellt werden darf, weil er dort keine menschenwürdige Unterkunft finden oder finanzieren kann und auch kein Einkommen würde erzielen können, das ausreicht, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Zugang zu staatlichen Sozialleistungen werde er ebenfalls nicht erhalten. Schließlich würde auch die Unterstützung von Hilfsorganisationen es dem Ausländer nicht ermöglichen, dort seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen.
Dagegen hat das OVG Koblenz in einem Urteil vom 27.03.2023 (Az. 13 A 10948/22.OVG) eine andere Einschätzung der Lage vorgenommen. Es hat zwar eingeräumt, dass einem Rückkehrer nach Italien die Obdachlosigkeit droht, doch hielt es diesen Umstand jedenfalls für nicht vulnerable alleinstehende Männer noch für vereinbar mit den Anforderungen von Art. 4 GRC, wonach niemand unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen werden darf. Begründet hat das Gericht seine Auffassung mit der Annahme, der Ausländer könne in Italien eine Arbeit aufnehmen und so seine prekäre Situation verbessern. Zudem würde eine Vielzahl von Nichtregierungsorganisationen Unterstützung und Hilfeleistungen anbieten. Wegen der Abweichung von der Entscheidung des OVG Münster hat das Gericht die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zulassen, das nun über die Tatsachfrage entscheiden soll.
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